Anlässlich des Tages der Arbeit am 1. Mai beschäftigt sich der Sozialdienst muslimischer Frauen Kempten e.V. mit der Frage “Frau und Arbeit – geht das?”. Die Frage ist nicht neu und aktuell wie nie.

Frau und Arbeit / Eine Zeitreise – damals und heute
Betrachtet man das Thema mit einem Blick auf die letzten 100 Jahre, dann hat sich einiges getan. Bis Ende der 1950er Jahre durfte der Ehemann über das Dienstverhältnis seiner Frau bestimmen. Das heißt, dass der Ehemann darüber entschieden hat, ob seine Frau arbeitet und ohne Rücksprache mit ihr ein Dienstverhältnis jederzeit aufkündigen durfte. Bis 1977 durfte eine westdeutsche Frau nur dann berufstätig sein, wenn es “mit ihren Pflichten in der Ehe und Familie vereinbar” war. Seit dem 1. Juli 1977 ist das paritätische Ehemodell, dass beide Ehepartner gleichstellt, in Kraft. Aber wie sieht es heute aus? 2014 waren 49,2 Prozent aller erwerbstätigen Frauen. 57,8 Prozent (11 Mio.) von diesen Frauen arbeiten in Teilzeit. Zum Vergleich: Nur 20,1 Prozent der erwerbstätigen Männer arbeiten in Teilzeit. Warum ist das so?

Lebensentwürfe Frau vs. Mann / Muttersein als Karriereknick?
Wir Frauen sind emanzipiert. Oder doch nicht? Scheinbar sind traditionelle Familienmodelle noch immer sehr häufig anzutreffen. Aber wie damit umgehen? Bedeutet eine Familie zu gründen gleichzeitig den Verzicht auf Arbeit? Vergleicht man die Lebensläufe von Männern und Frauen, zeigt sich, dass mit der Familienplanung bei den Frauen eine berufliche Stagnation eintritt. Frauen entscheiden sich bewusst für eine Familie, für ihre Kinder und damit auch für die Kindeserziehung. Sich um die Kinder zu kümmern ist eine große Aufgabe, die Frauen viel abverlangt. Einerseits muss der Haushalt laufen, die Kinder müssen versorgt sein, die Partnerschaft muss gepflegt werden. Das verlangt ein hohes Maß an Organisation, Anpassungsfähigkeit, Stressresistenz und nicht zuletzt Hingabe. Plötzlich ist man als Frau alles zugleich: Köchin, Seelsorgerin, Erzieherin, Managerin, Reinigungskraft, Bankerin, Friseurin und vieles mehr. Und doch bleibt der Wunsch einer beruflichen Entwicklung, der Wunsch einer “echten, richtigen” Arbeit nachzugehen.

Arbeitende Mütter in der Teilzeitfalle?
Viele Mütter, die aus der Familienzeit in die Arbeitswelt zurückkehren, arbeiten in Teilzeit. 2018 waren es 48 Prozent der erwerbstätigen Frauen (bei den Männern sind es nur 11 Prozent). Woran liegt das? Für Frauen muss Arbeit immer vereinbar mit der Familie sein. Kinder müssen in den Kindergarten bzw. in die Schule gebracht und wieder abgeholt werden, danach müssen sie betreut werden oder brauchen Hilfe bei den Hausaufgaben. In den Genuss von Großeltern, die jederzeit bereit sind, sich einzubringen, kommt nicht jede Familie.
Wann kann eine Mutter arbeiten? Der Arbeitsmarkt verlangt große Flexibilität: längere Öffnungszeiten, ständige Erreichbarkeit und wechselnde Arbeitszeiten. Viele Frauen sind aber nicht flexibel, weil die Familie im Vordergrund steht. Meist kommen nur Arbeitszeiten am Vormittag in Frage. Was passiert, wenn ein Kind krank wird? Wie reagiert der Arbeitgeber? Diese Fragen beschäftigen Mütter und Arbeitgeber gleichermaßen und die Antworten sind für beide Seiten unbefriedigend. Es erschwert die Erwerbstätigkeit von Müttern erheblich.

Was bedeutet Arbeit für Frauen/Mütter?
Die Erwerbstätigkeit als solche bedeutet für Mütter mehr als nur eigenes Geld zu verdienen. Natürlich ist es gut, für eigene Leistung, eigenes Geld zu verdienen. Immerhin muss man auch an die Zukunft denken: die Rente. Aber Geld ist nicht alles im Leben. Etwas zu bewegen, Projekte anzugehen und umzusetzen, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, sich auszutauschen, ein Sozialleben außerhalb der Familie aufzubauen, neue Freundschaften zu schließen – all das ist durch Arbeit möglich. Arbeit ist damit auch soziale Anerkennung und Integration. Ein Ausgleich zum Familienleben für ein erfülltes Leben.

Wie unterstützt der Sozialdienst muslimischer Frauen Mütter mit Berufswunsch?
Der Sozialdienst muslimischer Frauen Kempten e.V. ist eine gemeinnützige Organisation, die in der freien Wohlfahrtspflege tätig ist. Ziel der Gründerinnen war es, muslimische Frauen in der Gesellschaft mit ihren Kompetenzen und ihrem Engagement sichtbar zu machen. Daher ist die Beratung und Förderung von Frauen mit und ohne Migrationsgeschichte ein zentrales Anliegen des SmF Kempten. Jede Frau zählt. Wir bieten Unterstützung und Hilfestellung, wo sie benötigt wird. So bieten wir Computer-Schulungen zur Stärkung der Digitalisierungskompetenz, Nähkurse und Frauengesprächskreise an. Unser Ziel ist das Empowerment, die Hilfe zu Selbsthilfe, das Sichtbarmachen und die Erfahrung von Selbstwirksamkeit.
Besonders stolz sind wir auf das Patenschaftsprojekt “Menschen stärken Menschen”, ein deutschlandweites Programm, das vom Bund gefördert wird. 90 Patinnen und Paten betreuen ehrenamtlich jeweils bis zu fünf Personen. So werden in Tandem-Teams Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte und Menschen mit Fluchterfahrung in Alltagssituationen begleitet.
Ein weiteres Projekt rückt den Fokus auf Mütter mit und ohne Migrationsgeschichte: KitaMUTter. In Workshops und Gesprächskreisen sollen Mütter von Kleinkindern und Kindern bis 6 Jahre in zwei Kita-Jahren für mehr Partizipation begleitet und bestärkt werden. Ziel ist es, das Ehrenamt zu stärken und damit einen wichtigen Beitrag zur Integration vor Ort zu leisten.
Wir möchten allen Müttern Mut machen, den Schritt in die Erwerbstätigkeit zu wagen und sie dabei unterstützen. Durch die Vernetzung öffnen sich viele neue Türen, die den ehrenamtlichen Frauen neue Möglichkeiten bieten.
Interessierte sind herzlich eingeladen, sich bei uns zu informieren.

Unsere Beratung:
Dienstags, von 9:00 bis 12:00 und 14:00 bis 16:00
Migrationsberatung der Diakonie Kempten:
Donnerstags, von 09:00 bis 12:00, unser Kooperationspartner berät in unseren Räumlichkeiten
Corona-bedingt Termine nur nach telefonischer Absprache.

Kontakt:
Sozialdienst muslimischer Frauen Kempten e.V.
Fürstenstraße 23, 87439 Kempten
Telefon 0831 526 199 37
Email kempten@smf-verband.de
https://kempten.smf-verband.de/

Quellen:
“Frauenarbeit”, Wikipedia; Link: https://de.wikipedia.org/wiki/Frauenarbeit, Stand: 28.04.2021
Susanne Wanger: “Frauen und Männer am Arbeitsmarkt. Traditionelle Erwerbs- und Arbeitszeitmuster sind nach wie vor verbreitet”; in: IAB-Kurzbericht Nr. 4, Februar 2015; Hrsg. Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit, 90327 Nürnberg [PDF]
“Die Arbeitsmarktsituation von Frauen und Männern 2018”, in: Blickpunkt Arbeitsmarkt, Juli 2019; Hrsg. Bundesagentur für Arbeit, 90478 Nürnberg [PDF]
“Ayla Inan: muslimische Mädchen und Frauen stärken”, in: BR Nachrichten / Kultur 26.04.2021, Link: https://www.br.de/nachrichten/kultur/ayla-inan-muslimische-maedchen-und-frauen-staerken,SVff4jv, Stand: 29.04.2021

 

Illustration von Hanimkatur